Seelsorge und Begleitung im Krankenhausalltag

Samstag 10. 2. 10. Feb 2024

Nach neun, intensiven Jahren als Seelsorger im Klinikum Freising ist Pastoralreferent Heinrich Schmid kürzlich in den Ruhestand gewechselt. Im Gespräch mit Klinikum-Sprecher Sascha Alexander schaut er auf seine Zeit zurück.

Lieber Herr Schmid, erzählen sie uns doch kurz Ihren Werdegang und was Sie vor neun Jahren ans Klinikum Freising verschlug.
Schmid: Nach meinem Studium in München kam ich 1985 in den Pastoralkurs und trat ein Jahr später meine erste Stelle als Pastoralreferent in der Pfarrei in Gröbenzell an, wo ich vorwiegend in der Jugendarbeit tätig war. Nach der zweiten Dienstprüfung ging es dann weiter für zwei Jahre in den Pfarrverband Amerang, wo ich mich als Stadtmensch aber nicht so recht zu Hause fühlte. Daher zog ich mit meiner Familie nach Ismaning, wo ich in der dortigen Pfarrei 22 Jahre tätig war. Nach all den Jahren wollte ich schließlich etwas Anderes machen und wechselte 2014 in die Krankenhausseelsorge im Klinikum Freising, wo damals eine Stelle vakant war. Ich machte dafür zu Beginn meiner Tätigkeit eine Klinische Seelsorgeausbildung (KSA). 

Was hat Ihnen denn an dieser neuen Aufgabe gefallen?
Schmid: Es war für mich anfangs gewöhnungsbedürftig, da ich es in der Pfarrei ja gewohnt war, viel mit Gruppen zu arbeiten. Im Klinikum war das anders. Da war ich auf mich allein gestellt und tauschte mich vor allem mit den Patienten in Einzelgesprächen aus. Mein Auftrag war es, für die Patientinnen und Patienten, Angehörige und Mitarbeitende des Klinikums da zu sein. 

Gespräche über Lebensfragen

Wie haben sich diese Gespräche und Begegnungen ergeben? Wurden Sie gerufen?
Schmid: Ich bin auf die Stationen gegangen, habe angeklopft und mich vorstellt und angeboten. Die Reaktionen waren verschieden: Die einen sagten „Um Gottes Willen, ich bin aus der Kirche ausgetreten!“ oder „Nun ist es schon so weit und der Pfarrer kommt!“ (lacht). Aber meistens haben sich nette Gespräche ergeben und wenn es die Situation verlangte auch tiefere Gespräche über Lebensfragen, warum trifft diese Krankheit mich, wie soll es weitergehen…

Wie war es mit dem Sterben auf den Stationen? Durften Sie das letzte Sakrament erteilen?
Schmid: Ich wurde jedes Jahr gut 120 Mal gerufen, wenn jemand im Sterben lag. Vielen Menschen und den Angehörigen gibt die Anwesenheit eines Seelsorgers und ein Ritual in dieser Situation Sicherheit. Als Pastoralreferent durfte ich jedoch das Sakrament der Krankensalbung nicht spenden. Die Diözese Innsbruck aber hat eine kleine Liturgie einer tröstenden Salbung herausgegeben. So hatte ich immer auch Salböl dabei und wenn es ein Patient oder die Angehörigen wünschten, dann haben wir gemeinsam gesalbt, weil es einfach wichtig war.

War Ihre Arbeit für Sie manchmal belastend?
Schmid: Eigentlich nicht. Es kam nach meinem Gefühl immer mehr zurück, als ich selber geben konnte. Ich durfte in den Begegnungen für mein Leben sehr viel lernen. Wenn ich zu Sterbenden gerufen wurde, ging ich meist mit dem Gefühl weg, dass es gut war und dieser Mensch in Frieden gehen darf. Aber natürlich gab es auch Begegnungen, die mich sehr bewegt haben. So wurde ich einmal gerufen, um den Eltern nach einer Totgeburt Trost zu spenden. Doch was sagt man da? Jedes Wort wäre zu viel gewesen. Ich versuchte stattdessen einfach bei den Eltern zu sein. Generell waren die Seelsorge und die Gedenkfeiern für unsere „Sternenkinder“ für mich persönlich emotional immer sehr belastend.

Religionszugehörigkeit zweitrangig

Wie hat sich die Seelsorge und Patientenbetreuung in den letzten Jahren verändert, beispielsweise durch den strengeren Datenschutz und Corona?
Schmid: Der ehrenamtliche Besuchsdienst aus den Pfarreien war schon stark eingeschränkt durch den Datenschutz, denn Patientinnen und Patienten mussten bereits bei der Anmeldung explizit ankreuzen, ob man sie besuchen durfte. Dann kam Corona und es war endgültig vorbei. Ich glaube nicht, dass es noch einmal einen Besuchsdienst geben wird. Für mich war es weniger ein Problem, da ich weiterhin über die Stationen ging. Für mich war es dabei auch immer zweitrangig, ob ein Mensch Katholik war, evangelisch, oder Moslem.

Sie haben auch regelmäßig Gottesdienst in unserer Kapelle gefeiert. Gab es viel Zuspruch?
Schmid: Vor Corona kamen durchschnittliche 20 bis 30 Besucher zu unseren Sonntagsgottesdiensten. Dies waren meist ältere Menschen von außerhalb, Patienten kamen immer nur sehr wenige. Mit Corona ist die Besucherzahl nochmals stark geschrumpft auf vielleicht fünf pro Gottesdienst. Jetzt muss mein Nachfolger wohl wieder dafür werben. 

Ist die Seelsorge trotz allem noch genauso wichtig und gefragt bei den Menschen wie in früheren Zeiten?
Schmid: Manchmal kommen Patienten aktiv auf mich zu. aber sonst ich gehe auf die Leute zu!  Grundsätzlich sind es freilich mehr ältere Menschen, die noch stärker religiös geprägt und sozialisiert sind und das Angebot annehmen. Allerdings gibt es auch unter den Alten solche, die wie die Jungen damit nichts mehr zu tun haben wollen. Aber wenn ich krank bin, geht es um existenzielle Fragen – das ist immer eine besondere Situation- und das lässt viele nachdenklich und gesprächsbereit werden. Da ergeben sich oft gute Gespräche.

Der Tod hat etwas Friedvolles

Gab es besonders berührende Erlebnisse in diesen neun Jahren bei uns im Klinikum?
Schmid: Da war zum Beispiel eine ältere Dame auf der Palliativstation, die ihre Therapie beendet hatte. Bei meinen Besuchen kamen wir einmal auch auf Engel zu sprechen und ich schenkte ihr einen Handschmeichler-Engel, eine kleine, hübsche Messingfigur. Diese stand dann auf ihrem Nachtkästchen. Später erfuhr ich, dass er mit ins Grab gelegt wurde. Ein anderes Beispiel war eine Frau auf der Onkologie, die lange gegen ihre Erkrankung gekämpft hat. Wir haben oft miteinander gesprochen. Dann hörte ich eine Weile nichts mehr von ihr und wurde eines Tages wieder zu ihr gerufen. Ich habe sie kaum noch wiedererkannt. Sie war sehr mager und hatte aufgehört zu kämpfen und in das Sterben eingewilligt. Sie lag in ihrem Bett, schön und friedlich wie ein Engel. Der Tod hat für mich bei meiner Arbeit seinen Schrecken verloren, er hat etwas Friedvolles, aber das Sterben selbst leider nicht.

Wenn Sie auf Ihre Berufszeit zurückschauen, welche Bedeutung hat darin die Zeit als Seelsorger im Klinikum?
Schmid: Ich habe immer versucht, bei meiner Arbeit in den Pfarreien mit vielen Menschen zu kommunizieren und zu lernen. Besonders geprägt hat mich persönlich aber die Erfahrung aus meiner Arbeit als Seelsorger im Klinikum. Hier ging es nicht so sehr darum etwas vorwärts zu bringen, Gruppen aufzubauen, um Sollerfüllung, also „Vorweisbares“ sondern einfach nur um den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen. Das war für mich oft sehr beglückend. Das heißt für mich: Vieles geschieht in Augenblick.

Was haben Sie für Pläne für die kommende Zeit?
Schmid: Ich habe einen großen Garten, den ich bewirtschaften will und zwei Enkelkinder. Ich wohne in Ismaning, wo wir vor 16 Jahren die Ismaninger Tafel gegründet haben. Hier werde ich mich sicher weiter ehrenamtlich engagieren. 

 

Seelsorger Heinrich Schmid Klinikum Freising

Seelsorger Heinrich Schmid in der Kapelle des Klinikums Freising